Wenn man die Bedeutung des Wortes „absolut“ googelt, so steht da an erster Stelle „unbedingt“. Und ja, dieses Buch von Martin Engelberg sollte man unbedingt lesen. Denn er lebt sein buntes Leben auch „völlig“ (so ein weiteres Synonym, das Google anbietet) jüdisch. Dementsprechend viel hat er darüber auch zu erzählen.
(Politische) Einblicke
Ist „Absolut jüdisch“ nun Sachbuch oder Roman, Biographie oder Chronik? Wohl etwas von alldem und noch viel mehr. Der Autor verknüpft seine persönliche Lebens- mit Zeitgeschichte und entwirft damit ein unglaublich lebendiges Bild vom Nachkriegsösterreich, mit dem kein Schulunterricht mithalten kann. Als 1979 Geborene kannte ich die eine oder andere Begebenheit, die er schildert, nicht oder noch nicht bewusst und bin dankbar, dass nun nachträglich manch Zusammenhang klarer wird.
Analysen
Martin Engelberg betont im Laufe des Buches immer wieder, dass er naturgemäß eine „jüdische Perspektive“ einnimmt, wenn er österreichische und internationale Entwicklungen während seiner Lebenszeit Revue passieren lässt. Gleichzeitig analysiert er umfassend und ausgewogen u.a. die Kreisky-Ära, die Entstehung des Staates Israel oder seine Zeit als Abgeordneter im österreichischen Nationalrat, dem er als erster praktizierender Jude seit 2017 angehört.
Sehr jüdische Anekdoten
Der Holocaust war ein ungemein grausames Verbrechen nicht nur an Jüdinnen und Juden, sondern im schlechtesten Sinn gegen die Menschlichkeit. Und er hat Österreich (und weite Teile Europas!) damit auch des Jüdischen beraubt und damit eines so wichtigen Teils seines kulturellen Erbes, seiner Vitalität und seines Potentials. Die Geschichte Martin Engelbergs und seiner Familie ist auch eine der Rückkehr des Jüdischen in unsere Gesellschaft – sie zu lesen und damit miterleben zu dürfen, ist berührend, interessant und spannend zugleich.
Viel wird in unserer Zeit geredet, geschrieben und gelesen über die Frage, wie in einer vielfältigen (und sich stetig und immer schneller verändernden?) Gesellschaft so etwas wie Gemeinsinn oder Zusammenhalt gelingen kann, wie allfällige Spaltung und Entfremdung überwunden werden können. Interesse aneinander zu zeigen, Verständnis zu entwickeln, das Besondere an dem oder der anderen vielleicht sogar zu schätzen, das kann ein Anfang sein. Was unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger betrifft, leistet Martin Engelberg dazu einen wertvollen Beitrag.
Daher mein Prädikat: Absolut lesenswert!
“Aboslut Jüdisch” wird im Rahmen der Reihe “Aufgeblättert” von der Politischen Akademie im September 2024 in Graz und Wien präsentiert.