Dipo Faloyin: Afrika ist kein Land.

Suhrkamp Nova, 398 Seiten

Der Titel, den Journalist und Autor, Dipo Faloyin, für sein 2023 erschienenes Buch gewählt hat, ist durchaus catchy. Und man fühlt sich leicht ertappt. Wer von uns hat noch nie, einfach so über „Afrika“ gesprochen? Und dabei mitgemeint, es wären die Länder und Menschen dieses Kontinents im Grunde irgendwie alle gleich. Bei etwas näherer Betrachtung wird jedoch schnell klar: Dieses Afrika, dieser große Kontinent, ist in seiner Ausdehnung und Vielfalt eigentlich kaum zu fassen. Dipo Faloyin versucht es trotzdem und packt seine Sicht der Dinge in ein Buch von knapp 400 Seiten.

DAS BESTE INTRO FÜR EINEN KONTINENT
… nennen die Irish Times sein in viele Sprachen übersetztes Erstlingswerk. Recht viel Zeit für ein Intro nimmt er sich im Buch selber dafür nicht. Er geht mit einer Betrachtung zum Thema Identitäten gleich in medias res. Anschließend nimmt er Leserin und Leser mit auf eine Reise: nach Lagos, die Stadt in der er aufgewachsen ist, genauso wie in die Geschichte einzelner Länder, Regionen, Kulturen, Menschen. Er erhebt dabei keinen Anspruch auf Vollständigkeit und stellt gleich zu Beginn klar: „Ich bin nicht allgemein Afrikaner. Ich bin Nigerianer. Dieses Buch spielt meine Sichtweise als solcher wider.“

ABRECHNUNG UND KLARSTELLUNG
Subjektiv sind also Dipo Faloyins Betrachtungen und Behauptungen, und gerade deshalb pointiert, authentisch und glaubwürdig (auch das wieder meine subjektive Einschätzung). Dass er ein klares Ziel verfolgt, verhehlt er nicht. Kirkus Reviews nennt das Buch daher auch „die bissige und längst überfällige Dekonstruktion landläufiger Ansichten über Afrika.“ Und die betreibt er konsequent und umfassend. Keines der klischeehaften Bilder, die in unsere Köpfe eingehämmert wurden – vom hungernden Kind bis zur Safari-Idylle – bleibt außen vor.
Treffend dazu das vorangestellte Zitat von Chimamanda Ngozi Adichie: „Wenn alles, was ich über Afrika wüsste, von den weit verbreiteten Bildern herrührte, würde auch ich denken, dass Afrika ein Ort mit schönen Landschaften, schönen Tieren und unbelehrbaren Menschen ist, die sinnlose Kriege führen, an Armut und Aids sterben, nicht imstande sind, für sich selbst zu sprechen.“

INFOTAINMENT AT IST BEST
Dipo Faloyin spart nicht mit Kritik – sowohl an afrikanischen Verantwortlichen und Entwicklungen, als auch und vor allem an der westlichen Lesart dessen, was sich auf dem Kontinent zuträgt und zugetragen hat. Er verpackt diese Kritik bunt, mitunter in Humor aber auch in detailreich aufbereiteten Geschichten. Nicht nur bleibt damit das Erzählte gut hängen. Mit direkten Fragen macht er betroffen und fordert auf, unser Bild der „weißen Retter“ selbstkritisch zu hinterfragen.
Insgesamt ein Buch, dass auch dank der Übersetzung der deutschen Journalistin, Autorin und Moderatorin Jessiga Agoku angenehm und ansprechend zu lesen ist. Und ein Buch, dass dazu beitragen kann, dass wir informierter, offener und konstruktiver mit Afrika um- und auf seine Menschen zugehen.

 

PS: Wir nehmen die Herausforderung an, diesen unfassbar großen und vielfältigen Kontinent etwas besser kennen und verstehen zu lernen. Und wir laden auch dich dazu ein: etwa bei unserer Veranstaltung „Der umkämpfte Kontinent. Afrika im Fokus der Weltmächte“ am kommenden Montag um 18:30 Uhr an der Politischen Akademie. Mehr zum Hören, Lesen, Sehen rund um unseren Afrika-Schwerpunkt gibt es hier.

PPS: Wer noch mehr über die Länder, Menschen und Themen Afrikas erfahren will, dem bzw. der empfehle ich den Podcast „55 Countries“. Host Julian Hilgers Hat sich zur Aufgabe gemacht, konstruktiv und differnziert über diesen bunten Kontinent zu berichten.

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Buchtipps von Bettina Rausch-Amon

Bettina Rausch-Amon, geboren 1979, Mag. phil., MBA (Health Care Management), ist Präsidentin der Politischen Akademie der Volkspartei und Abgeordnete zum Nationalrat. Sie war fünf Jahre lang Mitglied des Bundesrates und weitere fünf Jahre lang Abgeordnete zum Niederösterreichischen Landtag. Sie ist Herausgeberin zahlreicher Publikationen, zuletzt des Sammelbandes „Christlich-soziale Signaturen. Grundlagen einer politischen Debatte,“ gemeinsam mit Simon Varga, und des Sammelbandes „Bürgergesellschaft heute. Grundlagen und politische Potenziale“ gemeinsam mit Wolfgang Mazal. Seit 2018 ist Rausch Mitherausgeberin des „Jahrbuchs für Politik“. Bettina Rausch ist externe Lehrbeauftragte u.a. an der IMC FH Krems und an der FH Campus Wien.

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