
eine der ersten 8 Parlamentarierinnen
(* 30. Jänner 1883 in Görlitz, Niederschlesien; † 11. Juni 1933 in Wien)
Hildegard Burjan war eine der ersten 8 Parlamentarierinnen, die 1919 als Abgeordnete ins Parlament einzogen. Sie war bekannt als Sozialpolitikerin und Ordensgründerin der Schwesterngemeinschaft Caritas Socialis. 2012 wurde sie von der römisch-katholischen Kirche seliggesprochen.
Sie setzte sich besonders intensiv für Frauen ein. 1912 gründete sie in Wien den „Verband der christlichen Heimarbeiterinnen“, um diese ausgebeutete und rechtlose Bevölkerungsgruppe zu unterstützen, 1918 den Verein „Soziale Hilfe“ und am 4. Oktober 1919 die religiöse Schwesterngemeinschaft Caritas Socialis (CS), die sich bis heute karitativen Aufgaben widmet, u. a. Pflegeheime und ein Hospiz führt und sich für die Ausbildung von Sozialberufen engagiert. Sie selbst wurde von Schwestern von einer schlimmen Erkrankung gesund gepflegt, was sie dazu veranlasste, zum katholischen Glauben zu konvertieren und sich fortan sozial einzusetzen. Sie forderte die Frauen zum Boykott von Waren auf, die von Firmen stammen, die Frauen ausbeuten.
Im Spätherbst 1918 wurde sie in Deutschösterreich für die Christlichsoziale Partei im provisorischen Wiener Gemeinderat, der bis zur ersten voll demokratischen Gemeinderatswahl amtierte, tätig und wurde eine wichtige Persönlichkeit in Politik und Kirche. Von 4. März 1919 bis 9. November 1920 war sie (am 16. Februar 1919 bei der ersten Wahl, bei der Frauen das uneingeschränkte aktive und passive Wahlrecht hatten, gewählt) christlichsoziale Abgeordnete in der Konstituierenden Nationalversammlung, die am 3. April 1919 das Habsburgergesetz und das Adelsaufhebungsgesetz und am 1. Oktober 1920 die im Wesentlichen bis heute gültigen zentralen Bestimmungen der österreichischen Bundesverfassung beschloss. Politische Verbündete suchte sie über alle Parteigrenzen hinweg.
Burjan wurde später „Gewissen des Parlaments“ und „Heimarbeiterinnenmutter von Wien“ genannt. Sie kämpfte für die Rechte und die Gleichberechtigung der Frauen. „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ zählte zu ihren wichtigsten politischen Forderungen. 1920 schied sie aus der Bundespolitik aus, widmete sich sozialen Aufgaben und beging unorthodoxe Lösungswege für die materiellen Nöte ihrer Zeit. Sie wirkte an der Neubildung der österreichischen Bahnhofsmission und an Einrichtungen der Familienpflege wie der Mittelstandsküchen mit. Sie errichtete in der Pramergasse im 9. Wiener Gemeindebezirk ein Heim für Mütter mit ledigen Kindern und schwierigem sozialen Umfeld sowie eine Ausgabestelle für kostenlose Kleidung. Damit wurde sie eine Wegbereiterin moderner Sozialarbeit.
Der Seligsprechungsprozess für Hildegard Burjan wurde 1963 vom Wiener Erzbischof Kardinal Franz König eingeleitet und von Wiener Erzbischof Kardinal Schönborn unterstützt. „Für die Erzdiözese Wien, aber auch für ganz Österreich ist Hildegard Burjan eine beeindruckende Gestalt – ein Mensch zum Vorzeigen“. Er würdigte sie weiter: „Mit einem offenen Herzen für die Nöte der Zeit hat sie sich für die Rechte der Unterprivilegierten und gegen jede soziale Ausgrenzung von Randgruppen durch die Gesellschaft eingesetzt.“