Grete Rehor begann nach dem Kollaps des NS-Regimes 1945 in derselben Position wie vor dem Krieg als Sekretärin der Gewerkschaft der Textil-, Bekleidungs- und Lederarbeiter neuerlich zu arbeiten. Darüber hinaus wurde sie 1948 im Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB) erste Vorsitzende-Stellvertreterin ihrer Fachgewerkschaft für die Fraktion christlicher Gewerkschafter. Nach der für die ÖVP erfolgreichen Nationalratswahl 1949 zog Grete Rehor in den Nationalrat ein, nachdem sie bereits zuvor erste weibliche Obmann-Stellvertreterin des ÖAAB geworden war. Gleichzeitig kam mit diesen beruflichen Erfolgen eine Bruchstelle zum Vorschein, die Grete Rehor über viele Abschnitte ihrer Arbeit begleiten sollte. Obwohl in einer Vielzahl von Funktionen von ihr Pionierarbeit als „Frau in der Politik“ geleistet wurde, sah sie sich mehr als Sozialpolitikerin denn als dezidierte Frauenpolitikerin.
Mit der Nationalratswahl 1966 gelang es Grete Rehor jedoch endgültig, in die erste Reihe der österreichischen Politik vorzudringen. Die Besonderheit dieser Nationalratswahl ist für das Porträt von Grete Rehor nur insoweit von Interesse, als dass die Differenzen zwischen den Regierungsparteien ÖVP und SPÖ im Grundsätzlichen, jedoch auch in der Sozialpolitik als unüberbrückbar galten. Die Koalitionsverhandlungen zwischen den Parteien scheiterten schließlich, wobei die SPÖ bei Fortsetzung der Koalition mit Sicherheit das Sozialressort für sich beansprucht hätte. Zum damaligen Zeitpunkt konnte Grete Rehor bereits auf siebzehn Jahre erfolgreiche Tätigkeit im Nationalrat zurückblicken. Hinzu kam eine große Wertschätzung, die sie sowohl von ÖVP-Bundesparteiobmann und Bundes-kanzler Josef Klaus, als auch von Nationalratspräsidenten und ÖAAB-Bundesobmann Alfred Maleta erfuhr. Rehors Charakterzug, in der politischen Arbeit bei gegensätzlichen Positionen verbindlich und integrativ zu wirken, bewog Bundeskanzler Josef Klaus schließlich, sie zur Sozialministerin zu ernennen. Das Scheitern der Parteienverhandlungen zwischen ÖVP und SPÖ und schließlich der Rückzug der Sozialdemokratie in die Opposition, machte die Besetzung des Sozialressorts ohnehin zu einer ÖVP-internen Aufgabe. Bundeskanzler Josef Klaus verzeichnete die Ernennung Rehors auch als einen persönlichen Erfolg, war sie doch eine ausgewiesene Sozialpolitikerin, die ihm seit Jugendzeiten in loyaler Freundschaft und Verbundenheit bekannt war. Die Medien berichteten verhalten und – vorsichtig formuliert – mit abwartender Neugierde über die erste weibliche Ministerin Österreichs
Trotz anfänglicher Animositäten, attestierte Rehor sogar der politische Gegner ein hohes Maß an Fachkompetenz und Kompromissbereitschaft. In ihrer ganzen Amtsführung fühlte sich Rehor dem Arbeitnehmerschutz verpflichtet. In manchen bürgerlichen Zeitungen wurde sie wenig schmeichelhaft „schwarzen Kommunistin“ bezeichnet. Diese Vorwürfe trug sie mit Fassung, war ihr doch dieses Spannungsverhältnis zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen seit Jahrzehnten bekannt und geläufig. Folglich konnten persönliche Herabwürdigungen nichts an ihren Arbeitsschwerpunkten ändern. Die Anliegen berufstätiger Frauen waren ihr besonders wichtig und sie vertrat deren Interessen mit Nachdruck. Interessanterweise fand diese Haltung bei den SPÖ-Frauenorganisationen wenig Unterstützung oder gar Solidarität, zu stark war die Frontalopposition der Sozialdemokratie gegen alle Handlungen der Regierung ausgeprägt.