In der Veranstaltungsreihe „Impulse” widmet sich die Politische Akademie heuer Themen, die in der Öffentlichkeit sehr aufgeregt diskutiert und moralisch aufgeladen werden. Der Anspruch ist dabei über diese Themen sachlich und mit wissenschaftlichem Blick zu diskutieren, wie es einer bürgerlichen Debattenkultur entspricht. Nach der ersten Veranstaltung zum Thema „Klimaschutz“, fand am 13. März 2023 die nächste Podiumsdiskussion zu „Gerechtigkeit“ im Teichwerk der JKU Linz statt.
Die Diskussion drehte sich dabei um Fragen der Leistung und der sozialen Sicherheit sowie um Gerechtigkeitsbegriffe und Chancengleichheit. Am Podium nahmen Wolfgang Hattmannsdorfer, Landesrat für Soziales und Jugend und Vorstandsmitglied der Politischen Akademie, Monika Köppl-Turyna, Ökonomin und Direktorin des Wirtschaftsforschungsinstituts EcoAustria, Walter Marschitz, Geschäftsführer Sozialwirtschaft Österreich und Martin Rhonheimer, Präsident des Austrian Institute of Economics and Social Philosophy.
Bereits in ihren einleitenden Worten betonte Bettina Rausch, Präsidentin der Politischen Akademie und Abgeordnete zum Nationalrat, dass es in der Diskussion um die Frage gehe, ob Solidarität eine Haltung oder tatsächliche konkrete Handlungen erfordert und welche Verantwortung jeder Einzelne trägt, um zu einer gerechteren Gesellschaft beizutragen.
Gerechtigkeit: Zwischen Gleichheit und Unterschieden
„Als christlich Sozialer ist für mich das Individuum in der Gemeinschaft der Ausgangspunkt“, erklärte Hattmannsdorfer zu den unterschiedlichen Zugängen zu Gerechtigkeit und der damit einhergehenden Frage nach dem Ausgangspunkt des jeweiligen Zugangs. Auf der anderen Seite stünden etwa kollektivistische Weltbilder. Aus seiner Perspektive könne Gerechtigkeit nur auf Eigenverantwortung und Leistung aufbauen. Erst an ein klares Bekenntnis zu diesen beiden Werten könne Gerechtigkeit anknüpfen. Darauf aufbauend könne man dann Gerechtigkeit definieren – Zum einen die Gerechtigkeit in der Entfaltung des Einzelnen mit seiner Selbstverwirklichung und zum anderen in der Dimension der Solidarität gegenüber jenen, die aus welchem Grund auch immer nicht leisten könnten.
Rhonheimer erinnerte an Aristoteles, der Gerechtigkeit als eine Art von Gleichheit und gerade deshalb auch als Proportionalität sah. Ihm nach müssten, wenn alle gleichbehandelt werden würden, auch die Ungleichen ungleich behandelt werden, da es sonst keine Gleichbehandlung wäre. Persönlich überzeugt zeigte sich Rhonheimer von der liberalen Gerechtigkeitstheorie, die Gerechtigkeit in der Gleichheit vor dem Gesetz sieht. Dieser Zugang führe allerdings zur Ungleichheit. „Wenn alle nach den gleichen Regeln spielen, führt das natürlich zur Ungleichheit, das ist dann aber gerecht“, führte er aus.
„Ich sehe Gerechtigkeit als Abwägung zwischen Gleichheit und Verschiedenheit“, erklärt Marschitz seinen Blick auf das Thema. Deshalb sei Gerechtigkeit auch nicht genau messbar, sondern habe viel mehr mit subjektivem Empfinden zu tun. Es sei dann eben auch schwierig, wenn bei den Menschen der Eindruck entstehe, die Demokratie sei nicht gerecht, denn egal, ob das objektiv richtig sei, würde es ein Problem für die Demokratie bedeuten.
Die Bedeutung von Gerechtigkeit für die Gesellschaft
Schon Hayek habe zu Recht kritisiert, dass die ethischen Maßstäbe einer Kleingruppe nicht einfach auf Großgruppen übertragen werden dürften, zitierte Rhonheimer den österreichischen Ökonomen Friedrich Hayek. Man könne nicht die Gerechtigkeitsvorstellung, die etwa für die Familie Gültigkeit hätten, auf die Gesellschaft übertragen. „Wir können die Politik nicht, wie eine Großfamilie sehen, die wie Mutter und Vater dafür sorgen müsse, dass alles gut ist“, erklärt er diesen Trugschluss.
Man müsse sich auch die Frage stellen, was ökonomisch überhaupt machbar sei. Köppl-Turnya setzte dort an: „Die relevante Frage ist, mit welcher Gerechtigkeit erreiche ich die ökonomischen Ziele am besten.“ Aus ökonomischer Sicht brauche es da die angesprochene Kombination aus Gleichheit und Ungleichheit. Die Gleichheit brauche es bei den Rahmenbedingungen. Diese Chancengleichheit sei ökonomisch am effizientesten. Wie diese Startbedingungen dann genutzt würden, wäre nicht mehr in der Verantwortung des Staates. Ein Fehler sei Gleichheit als Ziel bei den Ergebnissen. Diese würde den Anreizen für Leistung schaden.
Auch Hattmannsdorfer sprach sich für die Förderung von Leistung aus. Es brauche Eigenverantwortung und die Verpflichtung einen Beitrag für die Gesellschaft zu erbringen. Gleichzeitig plädierte er auch hier für Solidarität: „Personen, die es nicht können, müssen vom Staat unterstützt werden.“ Diese Unterstützung solle durch zielgerichtete Sozialhilfe und nicht durch ein Grundeinkommen passieren.
Wenn Sie die ganze Diskussion nachsehen wollen, finden Sie das Video ein Stück weiter unten auf dieser Seite.