Bürgerliche Impulse zum Thema Eigentum am 30.3. in Graz.
Was bedeutet es heute bürgerlich zu sein und was können wir daraus für eine werteorientierte Politik lernen? Mit dieser Leitfrage im Gepäck startete Die Politische Akademie im März 22 die Veranstaltungsreihe „Bürgerliche Impulse“. Den Auftakt bildete eine Veranstaltung am 16. März in Salzburg, die sich mit der Frage beschäftigte, was ein bürgerliches Leben ausmache. Die zweite Station der Impulse Tour führte nach Linz. Dort stand der Bereich Arbeit im Fokus. Die dritte Ausgabe der Reihe „Bürgerliche Impulse“ fand corona-bedingt online statt. Im Zentrum der Diskussion stand das Thema Bildung. Zum vierten Event lud die Politische Akademie zum Austausch über das Thema Eigentum nach Graz ein.
Der Krieg in der Ukraine zeige, so leitete Akademie-Präsidentin und Nationalratsabgeordnete Bettina Rausch ein, dass Demokratie nicht voraussetzungslos sei. Sie brauche Diskussion und Beteiligung. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Bürgerliche Impulse“ wolle die Politische Akademie dies ermöglichen und diskutieren, was es heute bedeute bürgerlich zu sein. Dazu habe die Politische Akademie vier Aspekte herausgegriffen. Bisher wären die Themen Bürgerliche Lebensart, Arbeit und Bildung besprochen worden. In Graz steht nun Eigentum auf dem Programm.
Eigentum aufzubauen gelte für Rausch nach wie vor als typisch bürgerliches Ziel. Dabei gebe man etwas an Flexibilität mit der Perspektive auf, in Zukunft freier sein zu können. Eigentum, so Rausch weiter, gebe es in der Menschheitsgeschichte schon sehr lange. Es wäre über viele Jahrhunderte ein Privileg gewesen, das nur wenigen offen gestanden habe. Eigentum, so scheine es, werde immer weniger greifbar. Einerseits wäre Wohnungseigentum immer schwieriger zu erlangen, andererseits entstünden durch neue Technologien digitale Eigentumsformen. Für Rausch sei klar, dass das Konzept Eigentum immer wieder auf dem Prüfstand stehe und diskutiert werden müsse.
Vermögensbildung als Zukunftsfaktor für Europa
Mag. Andreas Treichl, Aufsichtsratsvorsitzender der Erste Stiftung und Präsident des Europäischen Forum Alpbach war online für einen Einstiegsimpuls zugeschaltet. Eigentum würde für Treichl in Europa zwischen zwei Spannungspolen diskutiert: dem bürgerlichen, der sehr stark auf Eigentumserhalt ausgerichtet sei und dem sozialdemokratischen, der sich auf die Vermögensverteilung konzentriere. Die Vermögensbildung käme aus Treichls Sicht in Europa viel zu kurz. Der Kapitalmarkt spiele in Europa in Bezug auf die Vermögensbildung eine untergeordnete Rolle, obwohl dieses Instrument Treichls zu Folge eine der ältesten vermögensbildenden Formen sei. Treichl äußert seine Sorge, dass europäische Unternehmen in neu aufkommenden Industrien nicht mehr führend sein können. Europa wäre stark abhängig von amerikanischen und chinesischen Produkten. Eine Ursache dafür ortete Treichl in der nicht voll ausgeprägten Vermögensbildung vor allem im Bereich des Kapitalmarkts. Ein starkes Europa müsse in der Lage sein Vermögen aufzubauen und entsprechend dafür sorgen, dass in Zukunftsindustrien investiert werde. So würde nicht nur die finanzielle Unabhängigkeit von Schlüsselindustrien und Bürgerinnen und Bürgern gesichert werden können, sondern auch Arbeitsplätze geschaffen und erhalten.
Eigentum und Identität
Der Rechtswissenschaftler Univ.-Prof. Dr. Markus Fallenböck, der als Host durch das Gespräch führte, begann die hochkarätig besetzte Diskussionsrunde mit einer offene Frage: „Wie geht es dem Eigentum im Jahr 2021“? Der Soziologe Univ.-Prof. Dr. Manfred Prisching ortete in Bezug auf die aktuelle Situation in der Ukraine auch eine Konfrontation verschiedener Wirtschaftssysteme. In Europa sah Prisching, mit seiner – mit Ausnahme des Jugoslawien-Kriegs – durchgängigen Friedensperiode von mehr als 70 Jahren, eine Ausnahme der Geschichte, die sich natürlich auch auf den europäischen Zugang zum Thema Eigentum auswirke. Europa wäre mittlerweile eine Gesellschaft, die sich an Eigentum und seine Verfügbarkeit gewöhnt hätte. Im Eigentum, so Prisching spiegle sich auch immer eine persönliche Geschichte wider. Dasselbe gelte für das öffentliche Eigentum, wie etwa Gebäude. Würde das alles zerstört, so würden die individuelle und die kollektive Individualität darunter leiden.
Eigentum als wirtschaftspolitisches Ziel
Die Ökonomin Priv. Doz. Dr. Monika Köppl-Turyna von Eco-Austria stellte fest, dass Eigentum in Krisenzeiten einen höheren Stellenwert bekommen würde. Wer Eigentum hätte, sei gewissermaßen auch vor Inflation geschützt. Eigentum müsse in Europa daher als wirtschaftspolitisches Ziel mehr an Bedeutung gewinnen. Fallenböck wies am Beispiel der NFTs* eines Klimtgemäldes darauf hin, das neue Eigentumsformen durch Digitalisierung ermöglicht würden. Dabei würden einem aber nicht das haptische Gemälde gehören, sondern lediglich bestimmte Teile eines digitalen Zwillings. Dr. Stefan Murg, selbst Unternehmer im Bereich Immobilieneigentum und Leiter des Instituts für Bank- und Versicherungswirtschaft der Fachhochschule Joanneum, führte dazu aus, dass auch virtuelle Grundstücke mittlerweile für mehrere Millionen Euro den Besitzer wechselten. Der Wert dabei bestünde vor allem in der Phantasie künftiger Geschäftsmodelle. Mit seinem Unternehmen Brickwise könnten Otto-Normalverbraucher digitale Anteile an realen Immobilien erwerben und so an Mieteinnahmen beteiligt werden. Digitales Eigentum – ähnlich wie etwa Fondsanteile – würden aber einiges an Vorwissen benötigen. Auch Murg ortete wenig Wissen und Bildung in Österreich rund um den Kapitalmarkt. Die Immobilie, so der Experte, würde daher oft als präferierte Investitionsmöglichkeit gesehen, obwohl Immobilien ein relativ komplexes und wenig flexibles Investment darstellen würden.
Mehrwert von Eigentum
Der amerikanische Ökonom Rifkin, so Fallenböck, hätte schon vor Jahren das Ende des Eigentums prognostiziert. Die Zukunft würde etwa der Sharing Economy gehören. Prisching sah darin durchaus Vorteile, allerdings vermutet er dabei auch einige lebenspraktische Hindernisse, wie etwa die Klärung der Frage wer letztendlich verantwortlich sei. Auch im Bereich der Datenökonomie sieht der Soziologe noch einige Herausforderungen. In einer digitalen Welt, wie etwa im Metavers, sei noch nicht endgültig geklärt, was Privateigentum eigentlich bedeute.
Eigentum braucht Eigenverantwortung
Ökonomin Köppl-Turyna betonte, dass Eigentum auf der volkswirtschaftlichen Ebene viel mehr Wert darstelle als die reinen Nutzungsrechte. Eigentum könne belastet oder veräußert werden und schaffe so zusätzliche finanzielle Flexibilität. Die Eco-Austria Direktorin betonte, dass Eigentum ohne Eigenverantwortung nicht funktioniere. Um Eigentum müsse man sich kümmern. Je mehr Eigenkapital in einer Volkswirtschaft vorhanden wäre, desto mehr Investitionen in Innovation würden getätigt, wie etwa das Silicon Valley zeige.
Ökonomische Teilhabe ist nicht voraussetzungslos
Akademie-Präsidentin Rausch schloss die Diskussion. Für sie wurde in der Diskussion klar hervorgestrichten, dass die Teilhabe an einem ökonomischen System nicht voraussetzungslos sei. Dafür brauche es Bildung. Dazu wolle die Politische Akademie unter anderem mit Formaten wie den Bürgerlichen Impulsen beitragen. Eigentum sei weiterhin, auch wenn es in neuen Erscheinungsformen zu Tage trete, wichtig weil es persönliche Freiheit ermögliche.
*NFT ist die Abkürzung für Non Fungible Tokens. Was genau dahinter steckt kann zum Beispiel auf Future Zone nachgelesen werden.