Erst letztes Jahr, 2022, feierte die Politische Akademie ihr 50-jähriges Bestehen. Der ehemalige Nationalratspräsident Andreas Khol prägte über ein Drittel dieser Zeit als Direktor die Parteiakademie der Volkspartei. Ende Jänner 2023 war er wieder zu Gast am Campus der Politischen Akademie. Dieses Mal im Gespräch mit Akademie-Präsidentin Bettina Rausch und seinem langjährigen Wegbegleiter Wolfgang Schüssel, wo sie sich über Khols politischen Lebensweg, persönliche Erinnerungen und gemeinsam Erlebtes austauschten. Grund des Zusammentreffens war die Präsentation der Festschrift „Demokratie braucht Meinungen“, die Khol zum 80. Geburtstag von den beiden Herausgebern Thomas Köhler und Christian Mertens bereits 2021 gewidmet und geschenkt bekommen hatte, auf Grund der Corona-Pandemie aber erst jetzt auf der Politischen Akademie präsentiert wurde.
Schon zwei Jahre nach der Gründung der Politischen Akademie hatte Khol 1974 die Funktion als Direktor übernommen; bis heute ist er der Parteiakademie treu und hat Charakter und Ausrichtung maßgeblich mitbestimmt. „Er ist immer da, wenn wir ihn brauchen, aber nie belehrend – auch heute noch als Chef-Herausgeber des ‚Österreichischen Jahrbuches für Politik‘, dem Standardwerk der politischen Zeitgeschichte in Österreich“, freut sich Akademie-Präsidentin Bettina Rausch.
Worum es im Buch geht, haben die Herausgeber Thomas Köhler und Christian Mertens erklärt: „‚Demokratie braucht Meinungen‘ spannt den Bogen von Verfassung und Demokratie in Österreich, über Parteien im Spannungsfeld von Programm und Praxis bis hin zur Zukunft der Gesellschaftsverträge – auf 550 Seiten, in 41 Beiträgen, von 45 Autorinnen und Autoren“. Khol und Schüssel gaben einen Streifzug durch ihre persönliche Politikgeschichte, durch gemeinsame Jahrzehnte in der Volkspartei und durchgestandene Niederlagen und gefeierte Erfolge im Parlament.
„Parlamentarische Demokratie bedeutet nicht ein einziges Thema im Kopf zu haben, sondern Balance zu halten. Welche Auswirkungen haben politische Entscheidungen auf die Wirtschaft, für die Arbeitsplätze, für die Mobilität, für das Wohnen, für die Kunst? Dieses Abwiegen ist das Schwierige dabei“, erklärt Wolfgang Schüssel seinen Zugang zur Demokratie im Gegensatz zur „Expertokratie“, also einer von Expertinnen und Experten gebildeten Meinung. Eine „Expertokratie“ könne nie ein solch ausgewogenes Ergebnis liefern. Schüssel: „Daher muss die Volkspartei für alle relevanten Themen – Klima, Sicherheit, Europa, Bildung – eine bürgerliche Politik formulieren.“
Zu den aktuellen europa- und weltpolitischen Themen nehmen Khol und Schüssel klar Stellung. „Europa ist die einzige Alternative, die wir haben. Ohne Europa gibt es keine Existenz. Der BREXIT hat gezeigt, wie verhängnisvoll die Folgen eines Austritts aus der EU sind. Europa hat sich immer in Wellen entwickelt, es wird auch wieder den nächsten Schwung an europäischer Integration geben. Außerhalb des vereinten Europas gibt es kein Heil“, zeigt sich Schüssel als großer Europäer optimistisch. Den Ukraine-Konflikt analysiert er pointiert: „Ich fände es besser, dass man substantiell hilft: Politisch, militärisch, finanziell.“ Khol ergänzt: „Wenn Putin gewinnt, ist die Ära der Demokratie beendet.“ Er betont, dass es ist nicht wahr sei, dass Autokratien erfolgreicher sind; das europäische Lebensmodell mit Freiheit und Demokratie sei das Sehnsuchtsmodell der Welt. Doch aktuell nehme „die weltweite Konjunktur für Demokratien“ ab.
Über seinen Weg in die Politik erzählt Khol launige Anekdoten aus seinem Werdegang: Über die Österreichische Hochschülerschaft Innsbruck ist er in die Politik gekommen. „Ich hab‘s zum Wirtschaftsreferenten gebracht, weil ich den Abiturientenkurs der Handelsakademie absolviert hatte.“ Daraufhin wurde ihm gesagt: „Vorsitzender wird wer anderer, du machst die Buchhaltung.“ Das war der Einstieg in seine politische Laufbahn.
Schon in seiner Schulzeit haben seine Kommilitonen für ihn eine politisch blühende Zukunft vorhergesagt. In der Maturazeitung stand einst: „Der Khol wird Bundespräsident oder Verbrecher.“ Heute kommentiert Khol die Aussage mit einem Lacher und meint: „Mein Schulkollege hat’s fast getroffen.“
Zum Abschluss erzählte Khol noch Persönliches aus seiner Parlaments-Zeit: Als frisch gebackener Abgeordneter hielt er 1983 seine Jungfern-Rede. Khol wurde von dem Ordner nach seiner Rede zum damaligen Zweiten Nationalratspräsidenten Roland Minkowitsch zitiert. Voller Vorfreude und Erwartung auf Lob trat Khol vor den Präsidenten. Kurz und bündig wurde ihm aber nur mitgeteilt „Khol, du hast eine rote Krawatte!“ Die Lacher hatte Khol damit zum Abschluss der Veranstaltung „Aufgeblättert: Demokratie braucht Meinungen“ auf seiner Seite.
Conrad Seidl berichtet in “Der Standard” über die Diskussion:
Khol sieht Demokratie bedroht, Schüssel bleibt Optimist
Sie waren manchmal Konkurrenten, arbeiteten zeitweise kongenial zusammen und sind persönliche Freunde – mit manch unterschiedlicher Sichtweise: Andreas Khol und Wolfgang Schüssel diskutierten.
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